Abrechnungs-Tipp: Psychosomatikziffern in der Praxis
Etwa 70 % der Hausärzte und viele Fachärzte haben die Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung. Auf die exakten Leistungsinhalte und Abrechnungsdetails muss jedoch genau geachtet werden, um Regressforderungen zu vermeiden.
Voraussetzung für den Arzt: Abrechnungsgenehmigung der KV
Um diese zu erhalten, muss der Arzt Nachweise erbringen über:
- Theorieseminare von mindestens 20-stündiger Dauer, in denen u. a. Kenntnisse zur Theorie der Arzt-Patienten-Beziehung sowie Kenntnisse und Erfahrungen in psychosomatischer Krankheitslehre erworben wurden und
- kontinuierliche Arbeit in Balint- oder patientenbezogenen Selbsterfahrungsgruppen von mindestens 30 Stunden (d. h. bei Balintstunden = 15 Doppelstunden) in regelmäßigen Abständen über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr und
- Vermittlung und Einübung verbaler Interventionstechniken von mindestens 30-stündiger Dauer.
35100: Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände
- Als obligater Leistungsinhalt muss ein schriftlicher Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge zwischen organischer und psychischer Diagnose in der Akte erfolgen. Da es sich um eine erste Klärung handelt, reicht eine Verdachtsdiagnose oder aber auch der Ausschluss einer solchen Diagnose aus.
- Die Gesprächsdauer beträgt mindestens 15 Minuten. Allerdings kann auch bei längerem Gespräch die Ziffer nur einmalig berechnet werden.
35110: Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen
- Diese Ziffer setzt auf die 35100 auf und sollte nie abgerechnet werden, ohne im Verlauf (auch z. B. in Vorquartalen) bereits die 35100 erbracht und abgerechnet zu haben.
- Auch für diese Ziffer ist eine Gesprächsdauer von mindestens 15 Minuten vorgegeben. Hier zählt das reine ärztliche Gespräch. Gesprächsanteile des Praxispersonals dürfen nicht berücksichtigt werden.
- Ein mehrmaliger Ansatz dieser Ziffer am gleichen Tag ist nur möglich, wenn der Patient zwischenzeitlich die Praxis verlassen hat, z. B. vormittags und nachmittags in der Praxis war. Dann ist bei beiden 35110 am Tag die Uhrzeit mit anzugeben. Die längere Dauer eines Gespräches, z. B. über 30 Minuten, kann nicht mit mehrmaligem Ansatz abgerechnet werden.
- Der Interventionsgrund sollte in der Akte dokumentiert werden.
- Achtung! Anders als bei der 35100 setzt diese Ziffer eine gesicherte Diagnose voraus.
Die richtige Diagnose muss dokumentiert werden
In der Psychotherapie-Richtlinie findet man unter § 26 folgende Auflistung:
- Affektive Störungen: depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie
- Angststörungen und Zwangsstörungen
- Somatoforme Störungen und dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
- Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
- Essstörungen
- Nichtorganische Schlafstörungen
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen
- Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Es muss eine Diagnose aus dem Kapitel F (Psycho-Diagnose) dokumentiert werden. Jedoch ist nicht jede F-Diagnose richtig.
Psychotherapien sind nur für abstinente Patienten abrechenbar
Psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen finden sich nicht unter den relevanten Indikationen für die Psychosomatik. Unzweifelhaft können süchtige Patienten deutliche körperliche Symptome entwickeln, die ihre Ursache in der Abhängigkeit von der suchtauslösenden Substanz haben. Aber hier schränkt die Psychotherapie-Richtlinie des G-BA den Einsatz psychotherapeutischer Verfahren deutlich ein. Diese Verfahren können nur zur Anwendung (= Abrechnung) kommen, wenn der Patient abstinent ist und auf diesem Weg begleitet werden muss.
Wirtschaftlichkeit und Plausibilität im Auge behalten
Manche Praxen vergessen entweder die 35100 oder auch die 35110 und konzentrieren sich ganz auf eine Ziffer – was zur Folge haben kann, dass der Fachgruppendurchschnitt unter- bzw. massiv überschritten wird. Die Folge ist eine Prüfung der Abrechnung auf Plausibilität und/oder Wirtschaftlichkeit.
Praxis-Tipp
- Ein sorgfältiges Kodieren der erforderlichen Diagnosen ist Teil der Qualitätssicherung der Abrechnung – und ein perfekter Schutz vor Honorarkürzungen und Prüfungen. Heute kann man davon ausgehen, dass flächendeckend und regelhaft die Dokumentation von Diagnosen geprüft wird.
- Das A und O ist die Dokumentation. Dafür reichen kleine Textbausteine oder ggf. sogar Abkürzungen aus. Man muss nur gegenüber Dritten im Falle einer Prüfung die dokumentierten Zusammenhänge darlegen können.
- Ein übermäßiger Gebrauch der immer gleichen F-Diagnosen bei den Patienten z. B. F43.0 – akute Belastungsreaktion, löst bei den Prüfgremien Skepsis aus. Verwenden Sie daher für die Störung/Auffälligkeit die korrekte Diagnose und nicht „irgendeine“ F-Diagnose.
- Wenn bei Patienten mit der Diagnose „F32 – depressive Episode“ eine kontinuierliche Therapie über mehrere Quartale mit Antidepressiva erfolgt, dann ist die Diagnose offensichtlich falsch kodiert. Hier wäre eher die rezidivierende depressive Episode (F33) geeignet. Dies wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach von Prüfgremien so entschieden!