Langfristverordnungen für gelistete und nicht gelistete Diagnosen
Die neue Heilmittel-Richtlinie hat einen zusätzlichen § 8a erhalten. Hier ist zusammengefasst, was bisher in der Heilmittel-Richtlinie, dem Merkblatt zum langfristigen Heilmittelbedarf und der Vereinbarung über Praxisbesonderheiten verteilt geregelt war. Das Verfahren wird nun unterschieden in Langfristverordnungen für gelistete und nicht gelistete Diagnosen.
a) Gelistete Diagnosen betreffen folgende Krankheitsbilder:
- Stoffwechselstörungen
- Erkrankungen des Nervensystems
- entzündliche Polyarthropathien, Systemkrankheit des Bindegewebes und Spondylopathien
- Erkrankungen der Wirbelsäule und am Skelettsystem
- Erkrankungen des Lymphsystems
- Störungen der Sprache
- Entwicklungsstörungen
- Chromosomenanomalien Störungen der Atmung/ u.a. COPD
Bei diesen Erkrankungen kann nun sofort ohne Durchlauf des Regelfalls und ohne Antrags- und Genehmigungsverfahren eine Langfristverordnung ausgestellt werden. Patienten mit einer aufgeführten Diagnose müssen also die langfristige Verordnung von Heilmitteln nicht mehr (wie bisher) aufwendig von ihrer Krankenkasse genehmigen lassen.
b) Langfristverordnungen bei nicht gelisteten Diagnosen
Patienten mit einer Erkrankung, die nicht gelistet ist, deren schwere dauerhafte funktionelle/strukturelle Schädigungen aber mit den gelisteten Diagnosen vergleichbar sind, können weiterhin einen Antrag auf Langfristverordnungen bei ihrer Kasse stellen. Dabei kann sich eine Schwere und Langfristigkeit auch aus der Summe mehrerer einzelner funktioneller/struktureller Schädigungen und Beeinträchtigungen der individuellen Aktivitäten ergeben.
Die Krankenkasse entscheidet dann auf der Grundlage
- des Antrages des Versicherten,
- der Kopie einer gültigen und vollständig ausgefüllten Verordnung des Arztes (das Original verbleibt beim Versicherten) und
- soweit erforderlich unter Einbeziehung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.
Eine Genehmigung kann dann befristet oder unbefristet erfolgen, jedoch für mindestens ein Jahr.
Auch für diese Verordnungen gilt, dass der definierte Regelfall gemäß Heilmittelkatalog nicht durchlaufen werden muss, sondern dass gleich ein Antrag auf Langfristverordnungen gestellt werden kann.
Besonderer Verordnungsbedarf
Seit Januar 2017 gibt es eine abschließende Liste, die „besondere Verordnungsbedarfe“ definiert und die bisherige Übersicht zu den Praxisbesonderheiten ablöst. Zu den Änderungen gehört eine Erweiterung der Diagnoseliste.
Unter der Kategorie „Geriatrische Syndrome“ wurde nun auch eine Reihe von Diagnosen aufgenommen, die ab dem 70. Lebensjahr einen besonderen Verordnungsbedarf darstellen – etwa Demenz oder Osteoporose mit pathologischer Fraktur. Ebenfalls hinzugekommen ist die Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn (vor dem 65. Lebensjahr).
Verordnungen von Heilmitteln bei Patienten mit gelisteten Diagnosen gelten als Praxisbesonderheiten und werden im Rahmen einer möglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung aus dem Heilmittel-Richtgrößen-Volumen der Praxis herausgerechnet. Damit dies vorgenommen werden kann, müssen die Rezepte für diese Patienten neben dem Indikationsschlüssel für das Heilmittel auch den entsprechenden ICD-10-Code enthalten.
Nur noch zertifizierte Softwareunterstützung erlaubt
Ärzte dürfen seit Januar 2017 nur noch zertifizierte Software zur Verordnung von Heilmitteln nutzen. Die zertifizierte Verordnungssoftware enthält alle Informationen der Heilmittel-Richtlinie und des zugehörigen Heilmittelkataloges. Diese Software ist Bestandteil der herkömmlichen Praxisverwaltungsprogramme. Ärzte bekommen nun Hinweise bei unvollständig ausgefüllten Formularen, bei zu hoher Verordnungsmenge oder auch bei fehlender Begründung zur Verordnung außerhalb des Regelfalls. Ebenso wird angezeigt, wenn eine Verordnung aufgrund der ICD (International Classification of Diseases) sowie des Patientenalters und/oder Verordnungszeitraumes einen besonderen Verordnungsbedarf (Praxisbesonderheit) oder langfristigen Heilmittelbedarf begründet.
Auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kann man eine Übersicht einsehen, welche Praxissoftware bereits zertifiziert ist.
Zulassungslisten für Praxisverwaltungssysteme www.kbv.de
Fazit
Die Verordnungen über langfristigen Heilmittelbedarf – egal ob aufgrund gelisteter oder nicht gelisteter Diagnosen – sowie Verordnungen von Heilmitteln im Zusammenhang mit Diagnosen aus der Übersicht der „besonderen Versorgungsbedarfe“ unterliegen nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung werden diese Verordnungen herausgerechnet oder gar nicht erst berücksichtigt. Somit sinkt im Bereich der Heilmittelverordnungen das Prüf- und Regressrisiko ganz erheblich.
Quellen:
Praxisinformation der KBV-Heilmittelverordnung inklusive Diagnoseliste vom 14.12.2016
Praxisnachrichten der KBV zur Übergangsfrist nicht zertifizierter Software
Rahmenvorgaben Heilmittel 2017 von KBV und GKV-Spitzenverband
Rahmenvorgaben Wirtschaftlichkeitsprüfung 2017 von KBV und GKV-Spitzenverband