Mehr Zeit für echte Notfälle?
Es wurden zwei verschiedene Schweregradzuschläge zu den Notfallpauschalen 01210 und 01212 für Patienten mit einem erhöhten Behandlungsbedarf in den EBM (Einheitlichen Bewertungsmaßstab) aufgenommen und eine sogenannte Abklärungspauschale. Die Abklärungspauschale wird für Patienten gezahlt, die nicht notfallmäßig in der Notaufnahme oder im organisierten Bereitschaftsdienst behandelt werden müssen, sondern in die Praxis weitergeleitet werden können.
Schweregradzuschläge – bei welchen Diagnosen?
Für Patienten mit erhöhtem Behandlungsaufwand werden nun folgende Schweregradzuschläge gewährt:
GNR (Gebührennummer) 01223 – Zuschlag zur Notfallpauschale GNR 01210
- am Tag (Tag = 7–19 Uhr; ohne Wochenenden, Feiertage & 24./31.12)
- Bewertung: 13,48 Euro (128 Punkte)
GNR 01224 – Zuschlag zur Notfallpauschale GNR 01212
- in der Nacht (Nacht = 19–7 Uhr; ganztägig an Wochenenden, Feiertagen & 24./31.12.)
- Bewertung: 20,53 Euro (195 Punkte)
Beide Zuschlagsziffern sind einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig und an fest definierte schwerwiegende Behandlungsdiagnosen geknüpft. Sie dürfen ausschließlich bei Patienten berechnet werden, die aufgrund der Art, Schwere und Komplexität der Erkrankung einer besonders aufwändigen Versorgung im Rahmen der Notfallbehandlung bedürfen.
Dazu muss eine der folgenden Behandlungsdiagnosen gesichert vorliegen:
- Frakturen im Bereich der Extremitäten proximal des Metacarpus und Metatarsus
- Schädel-Hirn-Trauma mit Bewusstlosigkeit von weniger als 30 Minuten (S06.0 und S06.70)
- Akute tiefe Beinvenenthrombose
- Hypertensive Krise
- Angina pectoris (ausgenommen: I20.9)
- Pneumonie
- Akute Divertikulitis
Ausnahmeregelung: Bei Patienten mit anderen Erkrankungen, die ebenfalls eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, können diese Zuschläge im Einzelfall auch berechnet werden. Dafür ist jedoch eine ausführliche schriftliche medizinische Begründung erforderlich. Im Falle einer Prüfung wird diese Dokumentation wichtig und könnte von der Prüfungsstelle angefordert werden.
GNR 01226 – Zuschlag zur Notfallpauschale GNR 01212
- Zuschlag für Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit, mit geriatrischem Versorgungsbedarf und bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern
- in der Nacht (Nacht = 19–7 Uhr; ganztägig an Wochenenden, Feiertagen & 24./31.12.)
- Bewertung: 9,48 Euro (90 Punkte)
- einmal im Behandlungsfall
Schweregradzuschläge bei schwieriger Kommunikation
Der zweite Schweregradzuschlag berücksichtigt den erhöhten Aufwand, der aufgrund einer schwierigen Kommunikation infolge bestimmter Grunderkrankungen besteht. Dieser darf nur berechnet werden bei:
- Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern oder
- Patienten mit erheblichen krankheitsbedingten kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Beeinträchtigungen (ausgenommen Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Art infolge psychotroper Substanzen) und/oder
- Patienten ab dem vollendeten 70. Lebensjahr mit geriatrischem Versorgungsbedarf und Frailty-Syndrom (Kombination aus unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität) und/oder
- Patienten mit einer demenziellen Erkrankung (F00-F02), einer Alzheimer-Erkrankung (G30), einem primären Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerster Beeinträchtigung (G20.1 und G20.2).
Unter dem letzten Punkt sind die Patienten zusammengefasst, bei denen auch die 03362 (Geriatrie) abgerechnet werden darf, wenn sie jünger als 70 Jahre sind.
Abklärungspauschale – wann gilt sie?
GNR 01205 – Notfallpauschale im organisierten Notfalldienst für die Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit bei Inanspruchnahme
- berechnungsfähig am Tag (Tag = 7–19 Uhr; ohne Wochenenden, Feiertage & 24./31.12.)
- Bewertung: 4,74 Euro (45 Punkte)
GNR 01207 – Notfallpauschale im organisierten Notfalldienst für die Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit bei Inanspruchnahme
- berechnungsfähig in der Nacht (Nacht = 19–7 Uhr; ganztägig an Wochenenden, Feiertagen & 24./31.12.)
- Bewertung: 8,42 Euro (80 Punkte)
Wichtig: Diese Ziffern sind nicht nebeneinander und nicht neben den regulären Notfallpauschalen nach GNR 01210, 01212, 01214, 01216 und 01218 berechnungsfähig.
Wie werden die Pauschalen finanziert?
Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Finanzierung der Zuschläge sowie der Abklärungspauschale aus Geldern erfolgen soll, die bereits jetzt für die Vergütung ambulanter Notfallleistungen bereitstehen. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Absenkung der „normalen“ Notfallpauschale 01210 um 7 Punkte auf 120 Punkte. Dies entspricht einer verringerten Vergütung von ca. 70 Cent auf 12,64 Euro. Vermutlich werden vor diesem Hintergrund die neuen Ziffern, insbesondere die Abklärungspauschalen, eher selten genutzt werden.
Fazit
Durch die Einführung der Abklärungspauschale erhofft sich der Gesetzgeber eine Entlastung der Notfallambulanzen. Die Ärzte sollen mehr Zeit für „echte“ Notfälle bekommen. Ob dadurch weniger Patienten die Notfallambulanzen anlaufen, bleibt abzuwarten. Insgesamt stehen nicht mehr Gelder für die Notfallversorgung bereit – diese werden nur anders verteilt.
Quelle:
Homepage der KBV: www.kbv.de/html/1150_25783.php