Parkinson ist eine Erkrankung, die in erster Linie die Beweglichkeit betrifft, auch die Beweglichkeit der am Sprechen beteiligten Organe. Gestörtes Sprechen wird mit dem Fachbegriff "Dysarthrie" bezeichnet.
Eine leisere Stimme (Hypophonie) kann das erste Anzeichen für Parkinson sein! Diese nehmen die Betroffenen selbst jedoch oft nicht wahr. In fortgeschrittenen Stadien kann es zu Beeinträchtigungen des Sprechens kommen, die vermutlich durch längere Einnahme von L-Dopa-Präparaten ausgelöst werden.
Das natürliche Sprechen
Voraussetzung für das normale Sprechen ist ein optimales Zusammenspiel von Atmung, Stimme und Lautbildung. Durch eine aktive Ausatmung werden die Stimmlippen in Schwingungen versetzt und mithilfe der Artikulationsorgane (Lippen, Zunge, Kiefer, Gaumensegel) zu Lauten geformt.
Eine natürliche Sprechweise zeichnet sich auch durch Betonung und Sprechmelodie (Akzent und Intonation), sowie Sprechtempo, Sprechrhythmus und Sprechpausen aus, den sogenannten prosodischen Merkmalen. Für die Feineinstellungen der Prosodie sind Atem-, Stimm- und Artikulationsmuskeln gemeinsam zuständig und bei Störungen, wie durch Parkinson, schnell anfällig.
Die Mimik ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Kommunikation und Ausdruck einer bestimmten Gemütsbewegung. Mimische Interaktion ist sozial bedeutsamer als der gesprochene Inhalt selber. Hilfreiche Übungen zum Thema mimische Interaktion finden Sie unter "Bewegung".
Das Lautstarke-Dilemma
Menschen mit Parkinson sprechen oft sehr leise. Durch Akinese (Bewegungsarmut) und Rigor (Muskelsteifigkeit) wird viel Kraft aufgewandt, um die Stimme in Gang zu bringen. Für die Betroffenen fühlt es sich an, als ob sie fast schreien würden, während das Gehirn ihnen das Sprechen in natürlicher Lautstärke vortäuscht.
TIPP
Vergessen Sie nicht: Es ist nur lhre eigene Sprechwahrnehmung gestört, nicht lhr Gehör für Umgebungslärm und andere Sprecher! Kontrollieren Sie mit Hilfe von Tonband- und Videoaufnahmen lhre wirkliche Lautstärke. Sie werden staunen!
Symptome einer Sprechstörung (Dysarthrie)
Häufige Anzeichen für eine Dysarthrie sind unwillkürliche Überbewegungen und Verkrampfungen im Bereich des Mundes, des Gesichts, des Kiefers und der Atmung.
Weitere Symptome sind:
- flache, hastige, schulterbetonte Atmung, schnelles außer Atem sein, Sprechen auf Restluft
- leise Stimme (Hypophonie)
- behauchte, raue, heisere oder knarrende Stimme
- monotones Sprechen (Fehlende Stimmdynamik und Tonhöhenvariabilitat)
- undeutliche Aussprache ("Nuscheln") bei geringer Kieferöffnung
- erhöhtes Sprechtempo
- Wort und Silben-Wiederholungen
- eingeschränkte Mimik ("maskenhafter" Ausdruck, der falsche Emotionen vortäuschen kann)
- insgesamt eher unnatürliche und unverständliche Sprechweise
Therapie bei Sprechstörung
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Sie sollten spätestens bei offensichtlichen Veränderungen der Stimme oder des Sprechens eine Therapie beginnen und ein Eigentraining durchführen. Durch einen sehr frühen Behandlungsbeginn können Sie Ihren gesamten Körper noch optimal bei den Übungen nutzen, maximal aktiv mitarbeiten und die Übertragung in den Alltag leichter vollziehen. Zudem können Sie einer Gewöhnung an einen leisen, monotonen Stimmklang vorbeugen. Dieses vorbeugende Training wird Ihre stimmlichen Fähigkeiten fordern, den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und schafft die Voraussetzungen für den größten und am längsten anhaltenden Erfolg!
Ambulante oder stationäre Therapie?
Viele Patienten wünschen sich eine logopädische Therapie ausschließlich im Rahmen ihrer stationären Rehabilitation. Besondere Therapien, wie das LSVT® LOUD ("Goldstandard"-Therapie), sind jedoch für den ambulanten Bereich ausgelegt. Außerdem kann das Kernproblem der fehlerhaften Wahrnehmung ambulant effektiver angegangen und die daraus resultierenden Übungen zur Selbstkontrolle im häuslichen Umfeld umgesetzt werden. Andere Therapieformen, wie zum Beispiel die Atemtherapie, sind ebenfalls ambulant sinnvoll. Häufig hat es sich bewährt, ambulante und stationäre Therapie miteinander zu verbinden. Die Reihenfolge und der Abstand zueinander sind vom individuellen Einzelfall abhängig.
Wie finde ich einen Therapeuten?
Niedergelassene Therapeuten, die sich auf die Parkinsonsprechtherapie spezialisiert haben, werden Sie häufig über Mundpropaganda (zum Beispiel in einer ortsansässigen Parkinson-Selbsthilfegruppe) erfahren. Verzeichnisse sprachtherapeutischer Praxen finden Sie im Telefon- oder Branchenbuch, bei Krankenkassen, in Reha-Kliniken oder in Ihrer Arztpraxis.
Eigentraining
Nach einer logopädischen Therapie, der vorherigen Anleitung eines Therapeuten und ausreichender Routine in der richtigen Durchführung von Stimmübungen können Sie das Training alleine fortführen. Nehmen Sie sich anfangs immer nur einen Übungsschwerpunkt vor. Wenn Sie diesen einen Aspekt mit Leichtigkeit auf allen Sprechebenen einsetzen können, nehmen Sie einen neuen Schwerpunkt hinzu. Beispiele von Übungen für das Eigentraining finden Sie nach unserem Tipp!
TIPP
Machen Sie sich Erinnerungshilfen für das laute Sprechen und kleben Sie diese an verschiedene Stellen in Ihrer Wohnung und an Ihren Arbeitsplatz. Erstellen Sie sich zur Motivation ein persönliches Übungsprotokoll (Beispiel siehe unten) oder notieren Sie sich Trainingseinheiten in lhrem Kalender. Entwickeln Sie eine Routine für das Üben in Ihrem Tagesablauf (Zeit und Ort). So werden die Übungen für Sie ganz selbstverständlich. Informieren Sie Nachbarn, Mitbewohner und Angehörige über Ihr Stimmtraining, um keine Hemmungen bezüglich der Lautstärke bei den Übungen zu haben.
Aufwärmtraining für die Stimme
Übung 1:
Tönen Sie jede Silbe mit großer Mundöffnung 10 x laut ca. 2 - 3 Sek. gedehnt auf dem Vokal (A).
MA — MA — MA — MA — MA — MA — MA — MA — MA —MA
HA — HA — HA — HA — HA — HA — HA — HA — HA — HA
A — A — A — A — A — A — A — A — A — A
Ist lhre Stimme kratzig, tönen Sie MO - / HO - / O! Hören Sie nur auf, wenn Ihnen der Hals weh tut.
Übung 2:
Sprechen Sie mit viel Kraft und einer Pause nach jedem Wort laut:
Muck — Muck — Muck — Muck — Muck — Muck — Muck — Muck — Muck
Hopp — Hopp — Hopp — Hopp — Hopp — Hopp — Hopp — Hopp
HE — HE — HE — HE — HE — HE — HE — HE — HE — HE
Betonungstraining
Versuchen Sie das gefettete Wort besonders zu betonen:
Was willst du schon wieder?
Was willst du schon wieder?
Was willst du schon wieder?
Was wir schon alles gemeinsam erlebt haben!
Was wir schon alles gemeinsam erlebt haben!
Was wir schon alles gemeinsam erlebt haben!
Fliegst du nach Hamburg?
Fliegst du nach Hamburg?
Transferübungen im Alltag
Stellen Sie sich aus den Vorschlägen des Aufwärm-, Zwischen- und Alltagstrainings Ihr eigenes Programm zusammen. Sie können diese mit eigenen Ideen und Übungen Ihres Therapeuten ergänzen.
Transferübungen im Überblick
Warming up am Morgen
- Sprechen Sie schon Ihre allererste Äußerung laut: z. B. "Guten Morgen" (auch zu sich selbst)
- Motivieren Sie sich vor dem Spiegel mit einem lauten "Ich starte mit einer kräftigen Stimme in den Tag!"
- Tönen Sie kraftvoll 3 x ein HE
- Kaufen Sie sich einen Tagesabreißkalender mit kurzen Sprüchen oder kleinen Texten und lesen Sie jeden Tag den Spruch laut vor, auch wenn Sie alleine leben.
Extratraining
- Lesen Sie kurze Artikel aus einer Zeitung oder Illustrierten laut vor
- Wenn Sie ein Buch lesen, lesen Sie jeweils die ersten drei Zeilen jeder Seite laut
- Kommentieren Sie die Zubereitung des Essens laut oder lesen Sie ein Kochrezept laut vor
- Singen Sie laut
Situationstraining
- Fragen Sie Passanten laut nach der nächsten Haltestelle, Post oder nach der Uhrzeit
- Sagen Sie Ihre Wünsche beim Metzger, Bäcker, Verkäuferin usw. laut.
- Sprechen Sie Fragen oder kurze Antworten mit Freunden, Familienmitgliedern, der Sekretärin, Arbeitskollegen, bei Versammlungen etc. ganz bewusst laut
- Beteiligen Sie sich laut an Diskussionen und Streitigkeiten
TIPP
Wenn Sie alleine leben, suchen Sie sich bewusst Sprechsituationen für die jeweilige Transferübung: Rufen Sie jemanden an (vielleicht hilft Ihnen jemand beim Üben, indem Sie ihn jeden Morgen anrufen dürfen) und machen Sie lhre Übungen mit Nachbarinnen und Nachbarn, Verkaufspersonal, Arzthelferinnen und -helfern oder Busfahrerinnen und Busfahrern.