Wie ich bei der Arbeit über meine Migräne spreche
Wir alle haben schon Vorstellungsgespräche hinter uns – gute, schlechte und solche, nach denen wir dachten: „Habe ich das wirklich gesagt?“. Manchmal bekommen wir die Stelle, manchmal nicht. In jedem Fall ist der Prozess anstrengend und verursacht Stress.
Obwohl ein Vorstellungsgespräch eine Herausforderung ist, schreckt es mich nicht ab. Ich bin zuversichtlich, dass ich auch die schwierigen Fragen beantworten kann. Den ersten Arbeitstag gehe ich auf die gleiche Weise an: Ich weiß, er wird anspruchsvoll, aber ich weiß auch, dass ich es schaffen kann.
Jedes Mal, wenn ich eine neue Stelle antrete, bereitet mir nichts mehr Kopfzerbrechen als die Frage, wie – oder ob – ich meinen neuen Kolleginnen und Kollegen von meinen Migräneanfällen erzählen soll.
Ich würde mir sehr ein Handbuch wünschen, das mir zeigt, wie ich in meinem Berufsleben am besten über meine Migräneanfälle sprechen kann – doch das muss ich erst noch finden. Durch jahrelange Erfahrung steht für mich eines fest: Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, das „Migränegespräch“ bei der Arbeit zu führen.
Das Migränegespräch
Unabhängig von Ihrem Beruf oder Ihrer Art von Migräne oder Ihrer inneren Stärke ist es schwierig, mit Schmerzen zu arbeiten. Für mich kann es schon schwierig sein, morgens aufzustehen, wenn ich weiß, dass ich einen anstrengenden Arbeitstag vor mir habe. Es ist schwer, sich an alle vorbeugenden Maßnahmen zu erinnern, die ich den ganzen Tag über berücksichtigen sollte: Trinke ich genug Wasser? Meide ich meine Trigger? Esse ich regelmäßig? Und es ist besonders schwer, mich zu konzentrieren, wenn meine Migränebeschwerden auf dem Höhepunkt sind.
Wenn es darum geht, an Ihrem Arbeitsplatz über Ihre Migräneanfälle zu sprechen, gibt es nur wenige Möglichkeiten und die Unterteilung ist ein bisschen wie bei einem Multiple-Choice-Test. Das sind aus meiner Sicht die Optionen, sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile:
A. Absolute Ehrlichkeit
Das bedeutet, offen und direkt mit all Ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen zu sein.
Vorteile: Sie können ehrlich sein und brauchen keine Angst haben, dass die anderen es „herausfinden“. Wenn Sie Hilfe benötigen, wie z. B. einen dunklen Raum zu finden oder die Lampe über Ihrem Schreibtisch auszuschalten, wird es für niemanden in Ihrem Team eine Überraschung sein.
Nachteile: Andere Menschen könnten Mutmaßungen über Sie anstellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich völlig offen war, meine Migräne ungewollt als Schwäche, als Manko angesehen wurde. Ich hatte das Gefühl, dass ich in den Augen meiner Kolleginnen und Kollegen anders gesehen werde.
B. Nicht alle Informationen teilen
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, Informationen nur in Teilen preiszugeben. Sie könnten beispielsweise sagen: „Ich habe Migräne“, aber nicht sagen, wie schlimm sie ist. Das bedeutet, Details wegzulassen wie „Ich habe ständig Schmerzen und es hört nie auf.“
Vorteile: Sie können Ihre Schmerzen größtenteils noch verbergen. Aber wenn ein Notfall eintritt, ist es kein Geheimnis. Wenn Sie zum Beispiel Ihren Computerbildschirm nicht mehr sehen können, weil Sie Ihre Sehkraft verlieren, können Sie die Situation erklären, sodass niemand überrascht ist.
Nachteile: Es fühlt sich immer noch so an, als ob Sie etwas verbergen.
C. Nur der Führungskraft mitteilen
Diese Option bedeutet, dass die Personen, denen Sie direkt unterstehen, etwas mehr über Ihre Schmerzen wissen. Das könnte bei Ihnen aber auch zu Verunsicherung führen, da Ihre Führungskraft über Ihre Karriere mit entscheidet.
Vorteile: Jede Führungskraft geht anders damit um. In einer Situation, in der Sie arbeitsunfähig sind, glaubt Ihre Führungskraft eher, dass Sie tatsächlich krank sind, als dass sie ihr nur etwas vormachen. Die Tatsache, dass manche Menschen Migräneanfälle als Entschuldigung für Arbeitsausfälle vortäuschen, erschwert das Leben von denjenigen, die tatsächlich mit dieser Erkrankung leben müssen!
Nachteile: Die potenziellen Nachteile hängen stark von der jeweiligen Führungskraft ab. Eine Führungskraft könnte Sie zum Beispiel im Krankenhaus besuchen, um zu sehen, wie es Ihnen geht. Eine andere Führungskraft könnte ihre Meinung über Sie und Ihre Arbeit aber auch nachhaltig ins Negative kehren.
D. Nur Freunden mitteilen
Wenn es Ihnen schwerfällt, es Ihrer Führungskraft mitzuteilen, kann es hilfreich sein, für Notfälle einen Freund einzuweihen.
Vorteile: Sie können Ihrem Migränedilemma Luft machen und es mit jemandem besprechen, dem Sie vertrauen. Möglicherweise fühlen Sie sich wohler, wenn Sie bei Bedarf jemanden um Hilfe bitten können.
Nachteile: Sie und Ihre Arbeit werden möglicherweise anders gesehen.
E. Vollständige Geheimhaltung
Wenn Sie Ihre Migräneanfälle verbergen möchten, kann dies eine sichere Option sein, bis Sie sich wohl fühlen, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen darüber zu sprechen. Für mich ist dies die einfachste und natürlichste Variante.
Vorteile: Sie können Ihre Schmerzen leichter verbergen. Sie führen weniger Migränegespräche und fühlen sich daher möglicherweise weniger wegen Ihrer Krankheit beurteilt.
Nachteile: Manchmal hilft es, Kolleginnen und Kollegen wissen zu lassen, dass Sie krank sind. Nehmen wir beispielsweise an, Ihre Migräneschmerzen verursachen Ihnen Übelkeit, aber Sie müssen in einem Raum mit 40 Personen einen Vortrag halten. In diesem Fall kann es hilfreich sein, wenn alle wissen, warum Sie den Raum plötzlich mitten im Vortrag verlassen müssen und wie sie helfen können, wenn das passiert.
Wenn Sie mich fragen, wie ich dieses Migränethema in meiner Karriere beantwortet habe, würde ich mit „F“ für „Alle oben genannten“ antworten. In meiner bisherigen beruflichen Laufbahn habe ich festgestellt, dass es nicht den einen, richtigen Weg gibt, mit dem Thema Migräne bei der Arbeit umzugehen. Die Entscheidung basiert größtenteils auf dem Arbeitsumfeld, aber auch auf den Personen, mit denen Sie zusammenarbeiten, und der Art der Arbeit, die Sie verrichten. Wie viel Sie teilen möchten, liegt letztendlich bei Ihnen und daran, was für Ihre individuellen Umstände am besten funktioniert.
Warum es eine schwierige Entscheidung ist
Wenn Sie noch nie anhaltende Schmerzen hatten, denken Sie jetzt vielleicht: Was ist so schlimm daran, bei der Arbeit über Migräne zu sprechen? Meine Antwort: Weil es beängstigend ist.
Ich neige zur vollständigen Geheimhaltung, weil ich Angst habe. Ich befürchte, dass die Leute mich anders sehen, sobald sie wissen, dass ich Schmerzen habe – ob absichtlich oder nicht. Ich habe Bedenken, dass mir jemand eine Aufgabe gibt, sich aber nicht sicher ist, ob sie erledigt oder gut erledigt wird, weil ich nicht in meinem besten Zustand bin. Wenn ich müde bin, möchte ich nicht, dass meine Kolleginnen und Kollegen gleich denken: „Sie muss Schmerzen haben.“ Ich möchte auch nicht, dass die Migräne ein unausgesprochener Punkt bei meinen Jahresgesprächen ist: Ich mache mir Sorgen, dass meine Führungskraft, wenn sie meine Krankheit als Schwäche ansieht, davon ausgehen wir, dass andere für mich einspringen müssen.
Schlussendlich will ich nicht, dass jemand mich für irgendetwas anderes hält als kompetent und fähig – die von mir am meisten geschätzten Qualitäten. Diese Angst, stigmatisiert zu werden, ist für viele Menschen mit chronischen Krankheiten real, und bei der Migräne ist es nicht anders. Das Stigma hat zwei Seiten – entweder betrachtet man Sie als „kranke“ Person oder man glaubt, Sie täuschen es nur vor. Das Stigma veranlasst viele Menschen mit Migräne dazu, die Erkrankung zu verbergen.
Wenn ich mir gegenüber ehrlich bin, hat dieses Dilemma auch nicht viel mit den Menschen zu tun, mit denen ich zusammengearbeitet habe, oder mit ihrem Verständnis für meine Schmerzen. Viele meiner Bedenken drehen sich um die Angst, dass die Migräne die Kontrolle über mein Leben gewinnt.
Meine Migräneanfälle haben mir viel genommen: meine Freiheit und meine Zeit (so viel Zeit). Irgendwann fühlte es sich an, als hätten sie meine Karriere ruiniert. Damals musste ich meine Beschäftigung aufgeben, weil die Schmerzen für mich unerträglich geworden waren, um jeden Tag ins Büro zu kommen und hochwertige Arbeit zu leisten.
Es ist beängstigend, zu erkennen, dass meine Migräneanfälle diese Macht über mich haben. Ich kann mir keine andere Person oder Sache vorstellen, die ein solches Maß an Kontrolle über mich und, was noch wichtiger ist, über meine Zukunft hat.
Der Weg nach vorne
Wenn ich auf die vielen Nächte zurückblicke, in denen ich darüber nachgedacht habe, wie ich mit meinen Migräneanfällen in meinem Arbeitsumfeld umgehen soll, wünschte ich, ich hätte die Erkenntnis gehabt, die ich jetzt habe. Es gibt in Wirklichkeit keinen richtigen oder falschen Weg, die Migränediskussion an Ihrem Arbeitsplatz zu führen.
Jede Migräne ist anders. Jeder Chef ist anders. Jede Kollegin und jeder Kollege ist anders. Jedes Arbeitsszenario ist anders. Am wichtigsten ist, dass ich anders bin. Ich bin froh, dass ich meinen Instinkten gefolgt bin und jede Situation so gehandhabt habe, wie es sich für mich zu diesem Zeitpunkt am besten angefühlt hat.
Ich wünschte nur, dass ich nicht so streng mit mir selbst gewesen wäre. Rückblickend würde ich mir den Rat geben: „Deine Angst und Befürchtung sind berechtigt und verständlich. Dies ist eine wichtige Entscheidung. Tu, was sich für dich am besten anfühlt.“